Alsleben: Warum in die Ferne schweifen? Sieh das Gute liegt so nah (Goethe)

Begleiten Sie mich, liebe Leserinnen und Leser, auf einer Wanderung in unserer schönen Heimat. Die Saale schlängelt sich im Tal der in die Vorberge des Unterharzes übergehenden Landschaft.  Wir finden hier den Kringel (mit dem markant schon von Weitem sichtbaren Wasserturm), den Radeberg, den Hasenberg, den Gelben Berg und den Wieschkenberg (Weinbau), den Galgenberg (Sühnekreuz). Vorwiegend ist die Landschaft geprägt durch Laub- oder Mischwaldbewuchs mit der momentan bezaubernden Herbstfärbung. Diese und andere kleine Wäldchen bieten verschiedenen Wildtieren einen natürlichen Lebensraum. Aber es bot sich auch Lebensraum für die Menschen, welche sich hier angesiedelt haben und zunächst Fischfang, Acker- und Weinbau sowie Viehzucht betrieben. Auf Grund der guten Lebensbedingungen entwickelten sich parallel dazu in der Gegend viele unterschiedliche Gewerke (Seiler, Tischler, Müller, Brauer, Bäcker, Fleischer, Friseure, Sattler und viele mehr). Schulen wurden gebaut und eine Eisenbahnlinie  eingerichtet. Das kulturelle Leben in der Stadt nahm Fahrt auf.  Es gab ein Kino und zahlreiche Gaststätten im Ort. Leider ist das Kino heute nicht mehr da und viele Gaststätten sind verschwunden. Also zurück zur Natur, da bietet unsere Stadt vielfältige Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten: In und um Alsleben kann man mit dem Boot auf der Saale fahren, den Kringel besteigen und dem Wasserturm einen Besuch abstatten, im Sommer das schöne Freibad besuchen oder mit dem Fahrrad auf dem Saaleradweg einem neuen Ziel zusteuern. Man kann auch einfach nur durch die Feldflur streifen und Hasen, Rehe und die verschiedenen Vogelarten beobachten. Interessante Erlebnisse sind auf jeden Fall die jährlichen Frühjahrs- und Herbstwanderungen des örtlichen Heimatvereins. So war die Wanderung im goldenen Herbst 2020 wieder ein voller Erfolg: Traditionell und unter Einhaltung der gebotenen Abstands- und Hygieneregeln konnte bei „Kaiserwetter“ am Sonntag, dem 25. Oktober 2020 die 29. Herbstwanderung des Heimatvereins Alsleben durchgeführt werden. Am bewährten Konzept (Bollerwagen gefüllt mit Tee, Glühwein, frischem Brot und Fett aus eigener Herstellung) konnte festgehalten werden. Nur die sonst übliche gemeinsame Braunkohlmahlzeit musste in diesem Jahr aufgrund der Covid-19-Einschränkungen ausfallen.

Erstmals kam auch der über den Mikrokulturfonds des Landes Sachsen-Anhalt geförderte Sprachverstärker erfolgreich zum Einsatz.

37 wanderfreudige und an geschichtlichen, archäologischen und weiteren Informationen über die Schiffer- und Mühlenstadt und deren Umgebung interessierte Teilnehmer*innen hatten Gelegenheit, ihr Wissen an diesem Vormittag zu erweitern. Wesentlich dazu beitragen konnte neben dem Insiderwissen einiger Heimatfreunde der Schackstedter Hobbyarchäologe und Heimatkundler, Herr H. Kurth.

Beim ersten Stopp am schönen Alslebener Freibad erfuhren die Teilnehmer*innen vom Vereinsvorsitzenden, dass in der parallel verlaufenden Bernburger Straße  das Haus Nr. 63 im 19. Jahrhundert für eine als „Butter-Köhlern“ bekannte Frau die Anlaufstelle ihrer Gewerbeausübung war. Ihr Geschäft bestand darin, von Gütern in Schackstedt zu Fuß Butter nach Alsleben zu transportieren und Waren des täglichen Bedarfs nach dort. Mehr dazu kann im Heimatheft Nr. 11 nachgelesen werden.

Auf die anfängliche Wasserversorgung zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Alsleben wurde im weiteren Verlauf des Saaleradweges am ehemaligen Pumpenhaus des städtischen Wasserwerkes (heute Wohnhaus) hingewiesen [siehe auch Heimatheft Nr. 22].

Am nächsten Infopunkt Bernburger Straße 34a wurden die Wanderfreunde*innen über das ehemalige Polytechnische Zentrum informiert. Hier wurde ab Mitte der siebziger Jahre bis zur politischen Wende im Rahmen der polytechnischen Ausbildung der UTP- und ESP-Unterricht für Schüler*innen der 7. bis 10. Klassen abgehalten. Blickt man einhundert Jahre zurück, so stand an diesem Ort einst das Sägewerk der Fam. Schütze und deren Schiffswerft zum Bau von Holzkähnen. Heute hat hier die Alslebener Firma für „Mühlen- und Anlagentechnik“ ihren Sitz.

Nach Querung der L 85 erreichten wir das einstige „Zuckerfabrikgelände“.

Die L 85 (ehemalige Fernverkehrsstraße 6) wird in alten Aufzeichnungen auch als „Salzstraße“ oder „Hellweg“ bezeichnet. Als alte Handels- und Heerstraße war sie schon damals eine wichtige Verbindung zwischen Halle-Alsleben-Aschersleben-Halberstadt.

Von der ehemaligen Zuckerfabrik ist lediglich das Gebäude mit den einstigen Betriebswohnungen übrig geblieben.

Es braucht schon viel Phantasie, um sich auf der heutigen Graslandschaft den Standort des Rohzuckerproduzenten vorzustellen. Ein ausführlicher Bericht dazu ist im Heimatheft Nr. 29 abgedruckt, welches noch in diesem Jahr erscheinen wird.

Schon bald stieg der aromatische Duft von Majoran in die Nasen der Wanderfreunde*innen. Kein Wunder, denn dieser wird hier am Standort zur weiteren Vermarktung in der sogenannten „Drogentrocknung“ verarbeitet.

Für Erstaunen sorgte der Bericht von Herrn Kurth über die einstigen auf der Hochebene gelegenen Steinbrüche. Hier wurde Mosaik- und Rogenstein (Kalkstein) geschlagen. Der Rogenstein wurde u. a. zur Verblendung des Alslebener Wasserturmes verwendet. Nähere Erläuterungen dazu sind im Heimatheft Nr. 23 zu finden.

1945 stellte man die Arbeiten in den Brüchen ein. Die Schürfhügel wurden abgetragen und die entstandenen Löcher verfüllt. Es gab aber auch Sand-, Lehm- und Kiesgruben. So hatte man quasi alle wichtigen Baumaterialien direkt vor der Haustür.

Nach diesen interessanten Erläuterungen gab es beim Blick auf den Sabowindpark mit seinen 36 Windkraftanlagen (139 m hoch)

zur Stärkung die ersehnten Fettschnitten der Marke „Müller-Fett“ und Glühwein oder Tee.

„Hab‘ meinen Wagen voll beladen …“

Auf dem landläufig bekannten „Fürstenweg“ ging es zurück zum „Gelben Berg“, wo die Wanderung ihr Ende nahm.  Dieser heute landwirtschaftliche Weg wurde u. a. von den fürstlichen Herrschaften als Verbindungsweg zwischen ihren Gütern in Haus-Zeitz, Poplitz und Piesdorf genutzt.

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Text: Sigrid Skudlik, Fotos privat bzw. A. Wehlmann